Einsamkeit fördert Demokratieverdruss

Die Coronakrise hat sichtbar gemacht, was zuvor längst bestand, aber kaum zur Kenntnis genommen wurde: Einsamkeitsgefühle unter Jugendlichen. Dieser Erkenntnis widmet sich jetzt eine Studie der Denkfabrik „Das Progressive Zentrum“. Das Ergebnis: Unter einsamen jungen Leuten ist Demokratieverdruss weit verbreitet.

Die Autorinnen gehen der Frage nach: „Was hat Einsamkeit mit (anti-)demokratischen Haltungen zu tun? Sind einsame Jugendliche empfänglicher für antidemokratische Tendenzen als nicht-einsame? Welche Erkenntnisse können aus der neuen Beobachtung dieses Zusammenhangs für die Präventionsarbeit gewonnen werden?“



Die Autorinnen der Studie sind die Professorinnen Claudia Neu, Sozialwissenschaftlerin aus Göttingen, Beate Küpper, Sozialpsychologin an der Hochschule Niederrhein, und Maike Luhmann, Psychologin an der Ruhr-Universität Bochum. Die Berliner Denkfabrik Das Progressive Zentrum hat die Studie geleitet. “Extrem einsam? Die demokratische Relevanz von Einsamkeitserfahrungen unter Jugendlichen in Deutschland” ist Teil des Projekts Kollekt. Die Plattform gibt jungen Leuten zwischen 16 und 23 Jahren Gelegenheit, Erfahrungen mit Einsamkeit mitzuteilen und Anregungen an die Politik auszusprechen. „Kollekt“ wird auch vom Bundesprogramm “Demokratie leben!” gefördert.




 

Danach neigen junge Menschen mit der Erfahrung von Einsamkeit stärker zu autoritären Einstellungen, schenken Verschwörungsmythen häufiger Glauben und billigen eher politische Gewalt. Einsame Jugendliche vertrauen seltener darauf, dass politische oder gesellschafftliche Teilhabe Nutzen bringt, weil sie sich „weniger selbstwirksam fühlen“, wie die Autorinnen schreiben.

Am 10. Februar wurde die Studie in Berlin vorgestellt. Die Veranstaltung konnte im Livestream verfolgt werden. In einer Podiumsdiskussion sprachen miteinander:
Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen
  und Jugend
Pia Lamberty, Mitgründerin und Co-Geschäftsführerin von   CeMAS 
Melanie Eckert, Mitgründerin und CEO von krisenchat

Politik und Verwaltungen sind aufgerufen, jungen Menschen mehr öffentliche Räume zur Verfügung zu stellen, um Einsamkeit vorzubeugen. Angebote zur aktiven Mitgestaltung sind bedeutsame Wege, jungen Menschen Vertrauen in den Nutzen politischer Teilhabe zu vermitteln. Nach Ansicht der Autorinnen kommt hier den Kommunen eine besondere Rolle zu, in der Quartiers- und Gemeindearbeit frühzeitig Risikogruppen anzusprechen.


Die Studie in der Presse

Wenn Einsamkeit die Demokratie gefährdet (Der Spiegel)
Einsame Jugendliche neigen laut Studie zu Verschwörungsmythen (Die Zeit)
Studie: Einsame Jugendliche anfälliger für Verschwörungstheorien (regionalHEUTE.de)
Paulina Fröhlich: Einsamkeit kann Jugendliche radikalisieren (Deutschlandfunk Kultur)
Lisa Paus: Einsamkeit unter Jugendlichen ein „Riesenthema“ (radioeins rbb)
Einsame Jugendliche sind anfälliger für Verschwörungsmythen (hr-info)