Die einen sagen, nach dem Messer-Attentat in Solingen komme nun Bewegung in die deutsche Asyl- und Migrationspolitik. Andere finden, die anstehenden Landtagswahlen seien wohl eher die Ursache für eine aufgeregte Kakophonie aus Forderungen, Ansinnen, Phantasien und auch ernster Besorgnis.
In die Nähe des umstrittenen Begriffs der Leitkultur bewegt sich Stefan Laurin, wenn er durchaus zurückhaltend formuliert: „Wer kommt, sollte von der Art, wie man im Westen lebt, überzeugt sein.“ Was ist daran auszusetzen? Der Herausgeber des Blogs „Ruhrbarone“ lässt keinen Zweifel daran, dass er vor allem die Zuwanderung aus der muslimischen Welt im Auge hat, die Deutschland seit langem überfordere.
Gemeint ist vor allem der politische Islamismus, lange Zeit „ignoriert, verharmlost, beschönigt oder gar gutgeheißen“. Diese Erkenntnis führt Spiegel-Autor Sascha Lobo zu dem Mahnruf: „Jetzt ist es allerhöchste Zeit, auf der ganzen Breite der demokratischen Zivilgesellschaft den Islamismus als genau die Bedrohung zu behandeln, die er tatsächlich ist.“
Sicherheitsexperten sehen eine gestiegene terroristische Gefahr. Der Bielefelder Extremismusforscher Andreas Zick schließt sich dieser Sicht an und beklagt zugleich die Neigung aus Teilen der Politik zu vorschnellen Rezepten: „Den Bürgern sollten nicht Modelle angeboten werden, die nicht umsetzbar sind. Das hat den Populismus stark gemacht, weil immer wieder politisch Dinge aus der Mitte angekündigt werden, die nicht abgesichert sind.“
„Was wir nicht brauchen,
ist ein Hochfahren von Stereotypen, Vorurteilen, Rassismus, Verdächtigungen und Hass gegen Menschen,
die eine Migrationsgeschichte haben.
Das ist das, was der Terror möchte.
Terror möchte Gesellschaften in Unruhe versetzen,
egal, welche politischen Verhältnisse daraus hervorgehen.
Das ist dem Terrorismus egal.“
Extremismusforscher Andreas Zick, Universität Bielefeld
Evangelischer Pressedienst (epd), 26.08.2024
Oftmals liegen die wahltaktischen Interessen offen zu Tage. Zugleich melden sich Milieus zu Wort und Tat, die Zuwanderung, Einbürgerung und Vielfalt in Deutschland noch nie etwas abgewinnen konnten, vielmehr in Forderungen nach öffentlicher Ächtung von Asylbewerbern und -berechtigten ihr völkisches Süppchen kochen. Absurd nannte Teltow-Flämings Kreistagsvorsitzender Danny Eichelbaum die Forderung der AfD, in Brandenburg diesen Geflüchteten sowie ukrainischen Schutzsuchenden den Zutritt zu öffentlichen Veranstaltungen zu verwehren.
Der frühere Innenminister Gerhard Baum beklagt, dass islamistische Verbrechen immer wieder mit Muslimen und der Migration allgemein in Beziehung gebracht werden: „Die Migration wirft Probleme auf, sie ist hier aber nicht das entscheidende Problem. Die Islamisten werden sich ermutigt fühlen, dass ein Volk über Nacht durch einen Täter in völlige Unruhe geraten ist. Sie werden das wiederholen.“
Umso mehr sind die Islamverbände in Deutschland gefragt, sich zum islamistischen Terror klar zu positionieren. Das vermissen liberale Muslime in Deutschland und beklagen, dass sich ihre Vertretungen offenbar nicht öffentlich mit den Zielen des politischen Islamismus befassen und sich daher Zweifeln an ihrem Verständnis der demokratischen Verfasstheit dieses Landes aussetzen.
Murat Kayman, Rechtsanwalt und Gründer des muslimischen Vereins „Alhambra Gesellschaft“, der sich für gesellschaftliche Pluralität und interreligiösen Dialog einsetzt, bringt die Vorbehalte der liberalen Muslime gegenüber den Islamverbänden zum Ausdruck: „Was immer wieder fehlt, ist eine klare Adressierung der Motive der Täter wie zuletzt in Solingen, nämlich ein islamistischer Extremismus, der Islamismus als ideologische Grundlage solcher Taten. Das wird nicht adressiert.“ (Quelle)
Der Verein Pro Asyl, der sich für den Schutz und die Rechte von asylsuchenden Menschen einsetzt, äußerte sich zum Solinger Attentat: „Eine Welt, in der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte erodieren, ist das Ziel von Islamisten und Rechtsextremisten.“ Für die Zivilgesellschaft lautet die Frage: Wie kann die demokratisch verfasste Gesellschaft auf Dauer geschützt werden vor jener Zuwanderung, die aus ideologischen Gründen zerstören will, was nicht in ihre hasserfüllte Vorstellungswelt passt?
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Informationen zum Thema
Marei Pelzer, Maximilian Pichl, Grundrecht unter Druck – Das Recht auf Asyl in den Mühlen der Migrationspolitik (Aus Politik und Zeitgeschichte)
Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration:
Andere Länder, andere Sitten?
Welche kulturellen Unterschiede Flüchtlinge wahrnehmen – und wie sie damit umgehen
September 2019
Extremistischer Islamismus und Terror (Mediendienst Integration)
Ruprecht Polenz ist Influencer. Sein Motto: „Tu was!“. Ein Mutmacher in dunklen Zeiten, ein Demokratie-Influencer. Für die CDU war Polenz 19 Jahre lang Bundestagsabgeordneter. Er sagt: “ Die Widerstandsfähigkeit der Demokratien beginnt bei uns zu Hause.“
Darüber und über sein neues Buch spricht Polenz am 3. September – 18.00 bis 20.00 Uhr – mit der aus Wismar stammenden Schriftstellerin Anne Rabe. Das Gespräch ist ohne Anmeldung im Livestream zu verfolgen: https://www.youtube.com/live/TxDruEdQNuk